CARTE BLANCHE von Vanessa Edmeier | Regio Basiliensis

CARTE BLANCHE der Regio Basiliensis

«Schweizer Grenzregionen – Herausforderungen, Erfahrungen, Perspektiven»

Hochrheinkommission – Zwei Länder, eine Region
Vanessa Edmeier, Geschäftsführerin der deutsch-​schweizerischen Hochrheinkommission

Wie können Menschen für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit begeistert werden? Für die deutsch-​schweizerische Hochrheinkommission (HRK) mit Sitz in Waldshut-​Tiengen war die Antwort in den vergangenen Jahren geprägt von zwei wesentlichen Merkmalen: Liebe zur Kritik und die Umsetzung lebendiger Veranstaltungen. Was heisst das konkret?

Kritik lieben lernen

Wildtiere, die den Rhein überqueren, das Sisslerfeld, ein Industriegebiet der Zukunft, welches direkt an der deutsch-​schweizerischen Grenze entsteht, Jugendliche, die ihre Heimatregion in unserem Projekt «Jugendliche coachen Führungskräfte» neu denken und gestalten möchten. Die Aufzählung ist nicht erschöpfend, aber lässt bereits ahnen: Die thematische Vielfalt in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit ist gross. Klar ist, dass grenzüberschreitende Akteure angesichts dieser Vielfalt nicht bei jedem Thema in die fachlich tiefsten Tiefen tauchen werden. Das Credo ist: Ich weiss, dass ich nicht (viel) weiss. Denn Unwissenheit darüber, wie das andere Land in Bezug auf seine Politik und seine Verwaltung genau funktioniert, ist meist Ausgangslage der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit.

Diesem Nichtwissen mit Neugier, Freude und Entdeckungslust zu begegnen, ist die Haltung der HRK. Das heisst konkret, jeden Tag aufs Neue die Menschen zu Ehrlichkeit, Offenheit und auch Kritik einzuladen, was wiederum aus Angst vor Konflikten gerne gescheut wird. Doch wer Kritik lieben lernt und Neugier kultiviert, bringt die Grenzregion einen konstruktiven Schritt voran. Konkretes Beispiel: Bevor wir den neuen Flyer unseres Begegnungsfonds in Druck gaben, luden wir die potenziellen Zielgruppen ein, den Flyer kritisch anzuschauen: was klingt unverständlich, anstrengend oder kompliziert? Ist etwas missverständlich? Macht der Flyer Lust, einen Antrag bei der HRK zu stellen? Dieses Feedback sahen wir als Geschenk, das wir nach unseren besten Möglichkeiten in allen Bereichen umsetzten – im Wissen, dass wir nie auslernen würden.

Lebendige Veranstaltungen umsetzen

Wer Zusammenarbeit über Ländergrenzen hinweg initiieren möchte, muss Menschen in Kontakt bringen und die Freude an der Zusammenarbeit wecken – sei es durch Fachkonferenzen, einen Online-​Austausch, Workshops oder Tagungen. Die klassischen Veranstaltungen der Vergangenheit sahen hierfür oft Konzertbestuhlung, langatmige Grusswörter oder Vorträge vor, die darin endeten, Fragen stellen zu können. Dieser altmodischen Veranstaltungskonzeption versuchte die HRK mit lebendigen Formaten entgegenzuwirken. Heisst, der Mensch sollte mental wie emotional mitgenommen und von den übergeordneten Zielen, wie beispielsweise einem friedlichen Europa und eines guten Lebens für die Bürgerschaft, überzeugt werden (Pems-​Model). Sind die Veranstaltungen – ob kurz oder lang – in interaktiver Weise aufgebaut, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass die unsichtbaren und oft unausgesprochenen Annahmen der Menschen sichtbar werden. Hören wir Worte wie: «Ah, so ist das bei euch! Bei uns ist das ganz anders!» wissen wir, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Ein beliebtes Format der HRK ist beispielsweise der grenzüberschreitende Stadtteilspaziergang mit einer wertschätzenden Erkundung. Dabei erleben die Menschen die Grenzregion hautnah, überqueren den Rhein, die naturgegebene Grenze, und sind direkt im Herzen dessen, wo wir gemeinsam für die Zukunft gestalten können: unsere deutsch-​schweizerische Region am Hochrhein.

Mit der Carte Blanche bieten die Regio Basiliensis Fachleuten eine Plattform, auf der sie Impulse zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit geben und ihre Visionen zur Entwicklung im Dreiland darlegen können. Im Jahr 2024 veröffentlichen wir Beiträge zum Thema «Schweizer Grenzregionen – Herausforderungen, Erfahrungen, Perspektiven».

Va­nes­sa Ed­mei­er, Ge­schäfts­füh­re­rin der Hoch­rhein­kom­mis­si­on